Warnung Poem by Wolfgang Steinmann

Warnung

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Bin ich erst ein altes Weib, so trage ich Purpur,
Und einen roten Hut, der nicht dazu passt und mir nicht steht.
Und mit meiner Pension kaufe ich mir Brandy und Spitzenhandschuhe
Und seidene Slipper, und erkläre, dass wir uns Butter nicht leisten können.
Wenn ich müde bin, setze ich mich einfach auf's Strassenpflaster,
Und im Geschäft ramsche ich freie Warenproben und ziehe am Feueralarm,
Und rattre meinen Krückstock über eiserne Gitterstangen,
Und vergesse das gute Benehmen meiner jungen Jahre.
Ich gehe in Hausschuhen hinaus in den Regen
Und pflücke Blumen im Garten des Nachbarn,
Und ich lerne zu spucken.

Man kann schreckliche Hemden tragen und fett werden,
Und drei riesige Bockwürste auf einen Zug essen,
oder wochenlang nur trockenes Brot und Gurken;
man kann Bleis und Kulis und Bierdeckel und Schachteln horten.

So wie es ist, müssen wir Kleider tragen, die uns warm halten,
Müssen die Miete bezahlen und dürfen nicht öffentlich fluchen,
Und müssen den Kindern immer ein gutes Vorbild sein.
Wir müssen Freunde zum Essen einladen und Zeitungen lesen.

Vielleicht aber sollte ich so was heute schon mal versuchen!
Dann werden die Leute nicht so erstaunt und verwirrt sein,
Wenn ich plötzlich alt bin und Purpur trage.

(nach Jenny Joseph: Warning)

This is a translation of the poem Warning by Jenny Joseph
Saturday, March 19, 2016
Topic(s) of this poem: aging
COMMENTS OF THE POEM
Sylvia Frances Chan 29 February 2020

Sehr schön und Fantastik, liebe Herr Wolfgang. Danken Sie für diese Wörte. Am Besten grüsst Sie, Sylvia

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