Ein Waldblumenstrauss Poem by Wolfgang Steinmann

Ein Waldblumenstrauss

Wo warst du in jenen sehnlichen Stunden,
Als der Tanz und der Taumel des Juni versank?
In den Tälern und Schluchten, hab' Blumen gefunden
Eh' noch der Mittag den Morgentau trank.

Und wahrlich du fandest geborgen im Moose
Ein' jeglichen Stängel, der knospet und keimt,
Beim duftenden Busch der kindlichen Rose,
Die dem Auge so lieb, dass es wundert und weint,

Die windenden Wicken, die Lilien, sie alle,
Sie nickten dir zu, als du streiftest im Wald,
Und den prächtigen Mohn auf dem schattigen Walle,
So stolz steht er heute und wittert doch bald.

Das Taubenkropf-Leimkraut, es will sich entfalten,
Und Trauben von Fingerhut leuchten im Hag,
Ein dorniger Busch streckt die Hand, dich zu halten,
Die Brombeeren lächeln und grüssen den Tag.

Die Düfte des hohen Holunders verkünden
Dir süsse Genüsse und Heilung dazu,
Das Geissblatt, die Kirsche, sie lassen dich finden
Geschäftiges Treiben und selige Ruh.

Die Blumen gesammelt am Wegrand, sie preisen
Den Dichter in mir - es ehrt mich das Wort -;
Und bin ich kein Dichter, so schreib' ich doch Weisen
Des Morgens, des Abends, bei Nacht, immerfort.

Und doch ist, was einstens die Dichter gesungen,
Verglichen mit diesem Waldblumenstrauss
Gestammel, Musik, so seltsam verklungen -
Doch was du willst sagen, ich fand es heraus.

Denn wahrlich ich singe in Wäldern und Auen,
Und nicht in den Städten, doch singe ich nur
Wie die Blumen, die heute mein Herze erbauen,
Von englischen Feldern und englischer Flur.

Geborgt ist mein Singen von Häher und Taube,
Ich webt' ihren Jubel hinein in mein Lied;
Und Form und Gestalt, sie wuchsen, ich glaube,
Aus Nebel, der morgens vom Raine aufzieht.

Wirst keine Exotik in meinem Lied finden;
Es wurzelt im Dunkel, es wächset im Sturm;
Es stiehlt, was es sieht, von Blitzen und Winden,
Von Frühling und Herbst und von Falter und Wurm.

Es sah hinter Fenstern die Schneeflocken tosen;
Es füllt sich der Mond, so füllt sich mein Sang;
Es nimmt die Gestalt von Lilien und Rosen,
Für ihn ist es Juni das ganze Jahr lang.

Der Morgen ist älter, so lass uns geniessen,
was wir heut' gewonnen; der Wettkampf ist aus:
Du hast meine Verse, so wild sie auch spriessen,
Und ich halt in Händen den Waldblumenstrauss.

This is a translation of the poem A Country Nosegay by Alfred Austin
Saturday, June 10, 2017
Topic(s) of this poem: flowers,poetry,beauty
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