Franziskaner Poem by JULIÁN HERBERT

Franziskaner

Auf meine Weise, Franziskus,
habe auch ich mich ausgezogen, auf einem Platz.
Moi aussi, in Atlixco mit Papa. Die Sonne ging auf
und die Dohlengrackel pfiffen schon in ihrer Sphinxensprache
das Pech von den Bäumen -.
Der Platz war eine große Auslage voll schwarzer Sphinx-
figuren. Und der Himmel ihr Markt:
ein Teerboden, über den die Hausfrauen
kübelweise Seifenwasser schütteten.
Papa schloss mich in die Arme und zitierte Malcolm Lowry:
„Mein Sohn, wir trinken
heute Abend, bis wir wieder nüchtern sind".
Ich wollte ihn töten, ich wollte
ihn küssen. Auf den Mund.

Ödipus vor der Sphinx: Welches Tier
sagt: „Der Schmerz währt nicht lange?"

Die Marter seines Nackens in meinen Händen wird nicht lange währen,
des Geschmacks seines Mundes, der mir die Kehle hinunterläuft,
des Geschmacks nach dem Wunder der Leere,

[ohne ihn wär ich jenes Wunder:
jener Kuss, den ich mir nie gegeben habe]

sie währt nicht, sie währt nicht lang, die Qual,
denn das Böse ähnelt den Träumen,
und selten überlebt der Gewürgte seinen Schmerz
- genau darin liegt die Zärtlichkeit des Henkers -
und im Haus des Henkers nennen alle
den Strick bei seinem Namen [ich rufe dich, Papa,
ich warne dich: diese Liebe währt ewig];
und deswegen fragt Ödipus wieder
die Sphinx, ängstlich: Welches Tier…?

Ich wollte ihn töten, ich wollte
ihn küssen auf den Mund. Aber
es währt nicht lange, es wird der Mühe
nicht wert sein.

Auf meine Weise, Franziskus, besitze ich nichts:
auf dem Arm ein karminrotes Tattoo.
Manchmal sage ich, es sei ein Salamander,
manchmal ein Leguan;
heute ist es ein Chamäleon.

Auf meine Weise, Franziskus, will ich alles.

So habe ich es geschafft, allem zu entsagen.

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