Der Tod Poem by Gotthold Ephraim Lessing

Der Tod

Gestern, Brueder, koennt ihrs glauben?
Gestern bei dem Saft der Trauben,
(Bildet euch mein Schrecken ein!)
Kam der Tod zu mir herein.

Drohend schwang er seine Hippe,
Drohend sprach das Furchtgerippe:
Fort, du teurer Bacchusknecht!
Fort, du hast genug gezecht!

Lieber Tod, sprach ich mit Traenen,
Solltest du nach mir dich sehnen?
Sieh, da stehet Wein fuer dich!
Lieber Tod verschone mich!

Laechelnd greift er nach dem Glase;
Laechelnd macht ers auf der Base,
Auf der Pest, Gesundheit leer;
Laechelnd setzt ers wieder her.

Froehlich glaub ich mich befreiet,
Als er schnell sein Drohn erneuet.
Narre, fuer dein Glaeschen Wein
Denkst du, spricht er, los zu sein?

Tod, bat ich, ich moecht auf Erden
Gern ein Mediziner werden.
Lass mich: ich verspreche dir
Meine Kranken halb dafuer.

Gut, wenn das ist, magst du leben:
Ruft er. Nur sei mir ergeben.
Lebe, bis du satt gekuesst,
Und des Trinkens muede bist.

Oh! wie schoen klingt dies den Ohren!
Tod, du hast mich neu geboren.
Dieses Glas voll Rebensaft,
Tod, auf gute Bruederschaft!

Ewig muss ich also leben,
Ewig! denn beim Gott der Reben!
Ewig soll mich Lieb und Wein,
Ewig Wein und Lieb erfreun!

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