20 BEKENNTNISSE Poem by SIGITAS GEDA

20 BEKENNTNISSE

Es fiel mir ein, ich habe alles erlebt.
Ich habe mich verstellt, ich wäre ein Säugling, ein kleines Kind.
Ein kleiner Junge und ein kleines Mädchen.
Ein kleiner Kindergott, Nichts mit Namen.
Mit Vogelaugen habe ich Litauen und seine Meereskrater betrachtet.
Ich habe mich verstellt, ich wäre ein Priester, ein Zentaur,
Srazdas, Jesus
Christus, der größte Dichter von Litauen, jeder Mensch, jeder Vogel
Charon, der Demiurg, der mit Muscheln der Ostsee spielt,
Der Tote, der Dido auf dem Meeresgrund mit den Walen liebkost.
Villon, der Betrunkene, oder Bilhana, der die minderjährige
Königstochter mit Gewalt unter sich reißt,
Kassandra, die den Untergang prophezeit.
Picasso, der Knochenspalter.
Der Wahnsinnige Hölderlin, der sich nichts mehr, nur Stille wünscht.
Li Bo mit beschneiten Fahnen im alten China.
Ein weißer Rabe, der Brennesseln pflückt.
Jede Gestalt habe ich angenommen, wie du, mein Gott, mir
Befohlen hast.
Jetzt aber lass mich, mich selbst sein.
Grausam, dunkel, ohne Barmherzigkeit.
Hilflos, krank, edel.
Sterbend und auferstehend. Damit ich lebe.

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