Brief An Eine Marionette Poem by Wolfgang Tietze

Brief An Eine Marionette

Ich bin müde, und mein Auge schläft leicht
über den Wassern der Zeilen,
derweilen ich Dir schreibe.

Fest zu glauben, dass der Schatten eines Körpers
an den Fäden des Schöpfers, oder Puppenspielers,
die Schwerkraft in das graziöseste Leben umwandeln wird,
ist mir möglich,
wenn er und ich die unendliche Mitte der Schwerkraft
oder die Mitte der Seele entfalten
zum vollkommenen Tanz nicht nur aller Glieder.

Ich las von altersher, und Du siehst es überall,
dass auch das goldene Kalb tanzen kann,
und wir haben in der Nachfolge,
in den unendlichen Dubletten,
die sich für alles andere und verschiedenstes ausgeben,
im Anschaun und Bewegen und Begehen
eines hellicht dunklen Tages
vielleicht das Licht unserer Seele aufgegeben.

Darum folge ich Dir in das Innere
dieser unendlichen Schwerkraft,
aber ich schaue mich dort nach Brancusis Schildkröte um,
ich schaue dorthin, wo sie in Schweben
über dem Grund, ja ein wunderba leichtes inneres Fliegen übergeht,
und vertreibe so das teuflisch gewordene „Gyroskopische",
das die Luft und die Fäden nimmt wie die Leiber,
den Petrushka in „aller Schönheit" tanzen läßt
wie die Arachne beißen.

Ich will, dass Du Dich erinnerst
oder neu mich fragst nach dem Tag,
als wir überein kamen,
mit der Seele noch des Unbelebten zu sprechen,
dass das Lied, der Tanz und die Hymne beginne.

So sah ich den Petrushka - Waslaw Nijinsky
heute sozusagen mit der Ellipse meiner Lideröffnung
und der Blende der Stummfilmkamera,
wir spiegelten die Leinwand und die Erscheinungen in den Film,
sahen ihn auf dem Bildschirm in seinen Rollen
vom Filmemacher hin und zurück animiert
fast nur in kürzeren Schnipseln,
und dann im „Carnaval", wie er selbst fast gleichzeitig
die Animation des Pierrot als unsichtbarer Puppenmeister
und die Lebendigkeit der fließenden Bewegung in sich selbst
und in der Bewegung der Figur verkörperte -
es sieht dies so aus, es sind die Kreise der Bewegung
und von Tod und Lebendigkeit
in der Kunst geschlossen frei verbunden.


Sieh also, Du bist nicht tot,
ich spreche mit mir wie mit Dir,
nicht nur meine Worte wandern
und bleiben stehen wie dieser Buchstabe,
damit alles, alles unseren Beweggrund formt.
Harlekin, Du musst nichts sagen,
ich weiß wer Du bist,
egal welchen Puppenspieler du annimmst.
Ich hänge an uns.
Ich verkaufe dich nicht und tanze mit Dir.

Einstieg in den Fluss bei Nacht. Teil 1:
Der Traum wird wirklich, lulu press 2024

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