Die Wabe, Oder Die Kalibrierung Des Seins Poem by Wolfgang Tietze

Die Wabe, Oder Die Kalibrierung Des Seins

…der salzverkrustete, wie vereiste,
seitenspaltende Eingang einer Salz-Kathedrale ist das,
unten ein metallgefasstes leeres Fenster als Eingang.
Blüten aller Herren Länder, Farne und Knospen bedecken oben
ein Buch, den Kopfschnitt, wie ein durchbrechender Schleier,
der Körper einer Wespe und Reste
eines schimmernden Glitterarmbands
und eine Pille darunter und so weiter,
endlos rinnt das im Übergießen erstarrte Salz in den Seiten,
auf den Einbänden nach unten, oder steigt es kristallen?
Aber ja, es sind auch Bienen da, schlummernde Waben,
seinsverwandelt geweckt der Nektar, am Honig schmeckt man´s,
so man will und kann, sich´s ergibt wie hier.
Die Wabenstücke habe ich zuletzt hinzugebracht,
gefüllte Reste, Hexagonen sind noch bei mir auf dem Sims
kaue den Vorrat, langsam das ganze BlumenbienenHimmelsgottesLebens,
der Erinnerung entkommen.
Ich schaue auf die Buch-Wabe unter Glas,
eine neben der ich-weiß-nicht-was-einbalsamierten Knospe,
mit der roten winzigen 10er habe ich den Kopf signiert
für die Königin 2023.
Nun, die Zeit, alles ist unter Klarlack stillgestellt,
und der Raum noch zudem unter Glas,
alles arbeitet unsichtbar in das Zimmer und im jenseitigen Erscheinen,
das Buch hieß „die Falschmünzer",
ich nenne es jetzt das „Grabmal des Intellektuellen".
So grab und baue ich hier also die vielleicht einzige
„Skulptur" meiner Gräberhoffnungen, ein Quader
unter verwelkten Kadavern anhaltender Blütenträume,
das Salz wurde weiß, die Muschelglocke läutete unhörbar,
Glassplitter blinken oben in der Sonne.
Damals deckte ich es zu mit dem Dunkel meiner Augenlider,
brach es auf, noch später, und, und lasse es -
wo werde ich sein, gedacht, offenbar,
einen ausgetrockneten riesigen Paradiesapfel habe ich
(im vergeblich, vorgeblich Symbolenen)
darauf gestützt Hand und mein Kinn
ein wiedergefundener Melancholiker im Schatten der Pforte.

(Veränderte Version eines Gedichts aus dem Band Zwielicht,2014)

Tuesday, March 14, 2023
Topic(s) of this poem: resurrection,symbolism,salt,nature
POET'S NOTES ABOUT THE POEM
against the vanishing door during breathing salt
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