Chronisch gewöhnlich Poem by SIARHIEJ PRYLUCKI

Chronisch gewöhnlich

Die Leute aus den kleinen Städten vom Lande
entschlummern nach ihrer Dosis Abendnachrichten.
Zum Vesper gibts Grütze, Tee, Brötchen und Ribiselmarmelade.
So mancher ist großer Lokalheld in Erntegeschichten.

Den kleinen Leuten vom Land ist die Welt nicht geläufig.
Die Liebe zählt hier zu den ehernen Traditionen,
die man nicht lebt, sondern ausübt, mit freundlichem
Blick in die Augen zwischen zwei Menstruationen.

Die kleinen Leute, große Seelen, kranke Herzen,
sieht man gern in fiktivem Stress eine Träne verdrücken -
Romantiker, Brüder im Geist wie im Abfall vom Glauben.
Und bisweilen lässt sich der käufliche Kaiser kurz blicken.

Mit ihm hält das hiesige Volk es auf seine Weise:
Der eine tut Dienst, der andre übt stille Verschwörung.
Von den Göttern gibts weder Manna noch Armenspeise -
besser brav im Alkoven gehockt ohne Aussicht auf Störung.

Die Leute aus der Provinz kriegen bald einen Sparren
vor Aberglauben, vor Ödnis und gähnender Leere.
Betrunken erklettern sie dann im Advent ihre Karren
und geben dem Herrn von Misere und Demut die Ehre.

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