Orpheus Poem by SIARHIEJ PRYLUCKI

Orpheus

Dunkel, du, das mich gebar …
Rainer Maria Rilke

Wie immer, steigst du auf der Warschauer Brücke aus dem Auto.
Das halbkaputt, klapprige Band beim Zoll, Freunde, Bekannte …
Eine Zigarette nach der anderen mit Blick auf den Fluss der Dinge, Grenztürme,
die grauen Rümpfe der Warteschlangen, Jahrmarkt der Leidenschaften.

Das war eine unklare Ansammlung von Seelen,
manche hingen an den Kiosken rum mit lumpigem Fastfood
und starrten durch den Nebel hindurch in die eine Richtung.
Wasser dunkelte über dem Bahndamm. Weiter gab es nichts.
Vielleicht etwas hinter dem Gestrüpp und dem gespensterhaften Wald.
Die Brücke über den Wasserstrudeln, der dunstige Spiegel des Himmels.
Und in der Ferne - zwischen den Autos, Menschen, Langweiler -
dort waren die Schranken des Stadions,
sah man die Umrisse der Schlagbäume.

Nacht, der Morgen brach an; Schläfrigkeit und nachdenkliches Warten
im brodelnden Schweigen, Dialekte und Rassen:
Boxen mit Koreanern, teilweise Laozianer.
Und da kommt er, der Diensthabender dieser Schicht, der Hermes-Zolltyp:
'Ihr Ticket', 'Machen Sie drei Schritte nach vorn', 'Ausweis, bitte'.
Legt er seine Dienstmiene an den Tag, als würde ihm alles gehören:
Während er meine Seele mit Blicken taxiert, auf der Stelle
sucht er geschickt das Auto ab.
Nicht einmal gründlich(nach allem) nach dieser Aufregung,
schnüffelnd wie ein Hund, der nicht von der Seite weicht.

Aber die meisten kamen von hier, aus Belarus: der Opa aus Stolin,
die Tusse aus Vidamli, zwei junge Typen aus Chernavchitsy, als
hätte sie jemand aus dem selben Buch herbeizitiert. Morgengrauen und Kaffee mit Hotdog.
Die Metamorphosen des Schicksals erfreuen das Auge.

Da hast du jene Angeblich-Freiheit,
die durch die Adern wandert und den Druck erhöht.
Wie ein abgenervter Orpheus hetzt du bis Bialystok
und deine Eurydike - ist eine Gefangene im Reich deiner Heimat.
Kein Boden unter deinen Füßen - wie nie dagewesen.
'Mit diesem Tausch bekommst du dein Minimum', sagt der Typ,
der auf Hip-Hop, freien Sex und auf Unglücklichsein steht.

Was soll's, auch dahinter verbirgt sich eine Art Wahrheit und Aufrichtigkeit.
Doch dich machten dieses Getue, diese nervigen Typen,
ihr Polizeiton, diese Entpersönlichung, diese Atmosphäre,
ihr warmes Eckchen und der Drill, Verträumtheit und Teetrinken kaputt.

Als der nötige Stempel drin war, verschwindest du mit deinen Ansichten:
Deinen Zweifeln, Glauben, Liebe, Lebenszielen.
Weil du jung bist, mit deiner Unwissenheit.
Allerdings auch die Zeit des Visums läuft mal ab.
Und dann wird dich der diensthabende Hermes anhalten und dir
kalt und fordernd direkt ins Gesicht sagen: „Hiergeblieben".

Und du fährst wieder zurück, als müsstest du dich
auf Teufel komm raus einrichten, direkt an der Seite deiner Liebsten.
Daher fressen sich wohl ganze Häuserbrocken in die Räder deines Autos,
unsicher, weich und geduldig.

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