Esther Kinsky

Esther Kinsky Poems

1.

Wohin die vier winde in die ich rief
wohin der staub der straße wohin
gras grün und blattwerk lieblich zuhäupten.
Winter will es werden.

Der bach gefriert gleich hier am rand
von meinem schritt und tritt da steht
das wasser stumm mit einem schlag.
So geh mein wort zur ruh.

Mir träumt mir träumt das alles
lag schon in der luft die seit geraumer zeit
so brandig roch wohin mit all den blättern.
Ein jeglicher an seinen dienst.
...

Whither the four winds that took my words
whither the dust of the way to where
grass green and gentle leaves overhead.
Winter on its way.

The water freezes at the edge
of where I walk along at once
the stream itself is stricken mute.
And likewise hush my words.

I dream a dream it all
was in the wind that smelled
so burnt so long whereto with all the leaves.
Every one to his service.
...

Später
würde es regen geben
regen!
rief morgens der papagei
von gegenüber im fenster
so ein tag
der himmel halbwolkig
das pflaster sauber gewölbt
wie zur schrift aber stumm
kurz denken sich die kinder ein spiel aus
und regen! ruft der papagei
am nachmittag noch ist es trocken
fast heiter das weiß
leuchtet an fenstern und tot
auch die hauben der frauen
zwei weiße
worte für später.
...

Later
there would be rain
rain!
cried the parrot in the morning
from the window opposite
one of those days
the sky half cloudy
the cobbles' clean curves
a mute script
briefly the children think up a game
and rain! cries the parrot
in the afternoon now it's dry
the white at windows and gate
almost glows
also the womens' bonnets
two white
words for later.
...

Die frauen am fenster
jede in ihrem haus die stirn
an die rissigen rahmen gelehnt oder
ans zitternde glas oder die hand
an die stirn gelegt gegen die sonne
die tief steht
winterzu schwach und
nicht sehr verlässlich.

Sie schauen hinaus und bei fast
geschlossenen augen sehn sie die schatten
jede den ihren
bläulich und zart
am boden liegen
die ähren
wie steine verstreut
auf verholztem acker.
...

The women at the window
each in her house her brow
on the cracked frame or
on the trembling pane or her
hand held to her brow against the sun
which is low in the sky
already winter-wan and
not very reliable.

They look out and eyes almost
shut they see the shadows
each her own
bluish and delicate
lying on the ground
the ears of corn
scattered like stones
among the woody stalks.
...

Kurz vor anbruch
des tags sammelten sich die diener
und ergriffen die sänften.
am horizont
der erste blasse keil zwischen
himmel und erde von dort
kam der morgen gekrochen.
es sollen die hunde
angeschlagen haben am rand
der ortschaft saßen katzen im gras
in den dünnen
halmen dieses landstrichs
kleine vögel deren helles gelb
im dämmer nicht zur geltung kam
zeichneten etwas zum abschied.
die diener brachen auf bald
flogen ihre füße dahin die sänften
wogen kaum mehr als der schlaf
ihrer herren im innern.
die ebene lag in ungewissem licht
und schatten ausgebreitet
wie aufgemalte seen im sogenannten
preußischblau.
aller steigung entronnen war es den dienern
wohl das tragen
war leichtes geschäft und es kam
ein gerücht auf am rande
der ebene jenseits der blauen
untiefen flecke da wo die nacht
den mund auftat um den tag einzulassen da
fange ein anderes land an
ein neues.
...

Shortly before break
of day the servants gathered
and took up the sedan-chairs.
on the horizon
the first pale wedge between
heaven and earth from where
the morning came creeping.
the dogs are said
to have been barking on the outskirts
of the village cats sat in the grass
in the thin blades of this countryside
small birds whose pale yellow
did not stand out in the half-light
drew signs in farewell.
the servants set off soon
their feet fairly flew the sedan-chairs
weighed little more than the sleep
of their masters inside.
the plain lay spread out in uncertain
light and shadow
like painted-on lakes in so-called
prussian blue.
all gradients behind them the carrying
suited the servants
was easy money and a rumour
arose: there at the edge
of the plain beyond the blue
shallows where the night
opened its mouth to let in the day
another land began
a new one.
...

Gebrauchsanweising
für eine wildnis: da liegt sie
klein und von schöllkraut
gesäumt ein flacher
helldunkler streifen
unbeherrscht denn was
heißt das schon
wild? nehmen wir es
an seinen vier fünf sechs
enden mit trockenen
sauberen händen das gelbe
schöllkraut das moos das
gewürmlein blass unter allerhand stein
dieses stückland im halben schatten
versuchter rodung
hängen wir's
doch zum wind daß es sich
zerstreue über die völker.
...

10.

Manual
for a wilderness: here it lies
small and bordered by
celandine a flat
light-dark strip
unrestrained for what
in fact does wild
mean? we shall lift it
at its four five six
ends with dry
clean fingers the yellow
celandine the moss the
little worms pale under all kinds
of stones this section in the part-shadow
of attempted clearing
let us unfurl it
into the wind so that it
scatters among the peoples.
...

Gestörtes gelände so treffend und betrübt
benannt menschlich überprägt gestoßen
in schmächtige wildheit
ödland nach zerstörung halden
aus schutt so in verfallendem
scherbenwinkel an einstigem eingang
umstanden von ampfern
abseits auch guter heinrich merk und melde
armenspeis in armer zeit und bunten
träumen förderlich gediehen
auf abraum auch dieser
fordert das seine den raum der dieses
und jenes begräbt und darauf
die aufrechte osterluzei.
...

Disturbed lands so pointed and so sorrowful
a name marked by human violation
thrust into frail wildness
waste ground following devastation piles
of rubble dumped in a derelict
crumbling recess at the former entrance
surrounded by sorrel
nearby Good-King-Henry parsnip and pigweed
poor people's food for poor times and conducive to wild
dreams thriving on
heaps of debris this one too
demanding its own its heap for burying
this and that and out on top
the honest birthwort.
...

Wir zählen auf was zurückliegt
links liegengelassen am einseitigen
wegesrand - nur hin nur hin -
hundsrose färberdistel und struppiger
krähenflügel wer hat ihn gerissen verendetes
kleintier flüchtig von unseren sohlen gestreift
anderswo sagen wir
damals
sagen wir im schwächer werdenden licht
außerhalb
draußen im unschutz
vorher und nachher da
gibts noch natur
sagen wir uns und zählen im stillen
auf was weislich
ungesagt bleibt.
...

We're listing up what's left behind
left lying on the one-sided
border of the path - one way this way -
briar rose safflower and a ragged
crow's wing who tore it off a small
dead animal briefly grazed by our soles
elsewhere we say
back then
we say in the ever weaker light
beyond the borders
outside in nakedness
before and after nature
is still there
we tell ourselves and list
up in silence what shall with reason
remain unsaid.
...

15.

Wir sind der wind wir sind der wind wir
sind der wind ich hab die stirn
gelehnt an einen alten traum die wand
von haus hof aprikosen
baum so geht es zu ans schwere tor
schlägt niemand es ist still nur im gelaub
zukopfen mir und alt in diesem traum
da raunt es so und raunt es ungefähr wir sind
der wind wir sind der wind wir sind
der wind am tor der niemals schlägt
nur an bestrichnen pfosten schabt und
schleckt und nimmerschweigt die wand
sie schüttert schon und weiß
nicht ein noch aus und läßt die stirn
allein mit diesem traum vom alten wir
wir sind wir sind
der wind.
...

16.

We are the wind we are the wind we
are the wind I lean my brow
against an early dream the wall
of house yard apricot
tree that's how it goes with never a knock
on the heavy gate all's still yet in the leaves
beliefs above my head and old in the dream
such moanings murmurs as we are
the wind we are the wind we are
the wind that whispers at the gate that never knocks
but only grazes chafes at the smeared
posts is neverstill the wall
starts to tremble knows
not where to turn and leaves my brow
alone to dream this dream of the older we
we are we are
the wind.
...

17.

Sieh da sieh da ein engel
in engelstracht den kopf
gesenkt nach engelsart witternd
in den anbrechenden tag so
soll es sein ist es gut
ist es wirklich doch ist das
kein engelswort ein engel
streift sich vom schwingenpaar
was es zu sagen gibt
beispielsweise
übers vergehen der zeit über
vergängnis und auch diese alte
vergangenheit o stadt
der unbeständigkeit dafür
taugt sein laut ein dünner
anhaltender ton unter
halbgeschlossenen lidern der flügel
ein klagelaut etwa wie
der wind der unsterblichkeit oder
wimmern wie eine garbe
hinter dem schnitter
die niemand aufnimmt.
...

18.

See here see here an angel
in angel's garb his head
is bowed the angel's way he tests
the air of the dawning day thus
should it be thus it is good
is real but these are
not an angel's words an angel
brushes from his pinions
what there is to say
for instance
on the passing of time on
passing away and also this old
past o city
of inconstancy to this
its voice is suited a wispy
continuous tone under
half-closed lids its wing
a wailing something like
the wind of immortality or
after the harvestman
the whimpering of the handful
none shall gather.
...

Gestern noch
schlugen wir uns ins dickicht
so will es mir scheinen und - lautlos
liegen die auen des friedens -
hielten still warteten
ab was
würde sich rühren etwa
der trauerschnäpper zu unseren
häupten der matt schimmernd
gepanzerte käfer im laub
die buckelnde raupe am stamm
doch alles hielt mit uns
still und verstummte
wartete ab
welches wort sich wohl fand für die
abwesenheit jeglichen lauts
auf unwirtbarem weg.
...

20.

Only yesterday
it seems to me we were going
into the thickets and - the peaceable
folds being brought to silence -
holding still we bided
our time for
what might stir perhaps
the pied flycatcher in her weeds over
our heads the faint gleam
of an armour-clad beetle in the leaves
the humpbacked caterpillar
on the trunk but all held still
with us falling silent
biding their time
for what word could be found for the
absence of all sound
on the inhospitable path.
...

The Best Poem Of Esther Kinsky

Wohin

Wohin die vier winde in die ich rief
wohin der staub der straße wohin
gras grün und blattwerk lieblich zuhäupten.
Winter will es werden.

Der bach gefriert gleich hier am rand
von meinem schritt und tritt da steht
das wasser stumm mit einem schlag.
So geh mein wort zur ruh.

Mir träumt mir träumt das alles
lag schon in der luft die seit geraumer zeit
so brandig roch wohin mit all den blättern.
Ein jeglicher an seinen dienst.

Esther Kinsky Comments

Esther Kinsky Popularity

Esther Kinsky Popularity

Close
Error Success