Weizen, Honig, Heidelbeeren Poem by Rose-Marie François

Weizen, Honig, Heidelbeeren

Mit achtzehn Jahren hat man sie
in eine ausgeholte Eiche gelegt.
In Reichweite
ein Becher Met
Weizen, Honig, Heidelbeeren
neben dem verkohlten Skelett
eines kleinen Kindes.
Die Glasvitrine hindert mich
die Haare zu berühren
oder das rauhe Holz
des vor unsrem entweihenden Blick
offengehaltenen Deckels.
Bald bist du viertausend Jahre alt.
Am Morgen der Rosen gestorben,
hast du nicht so alt wie ich werden können.
Bin ich dir an Geräten, Legenden und Reisen
viertausend Jahre voraus ?
Diese geflochtenen Lederriemen,
der Rock bis zu den Schenkeln…
Du tanzest in der Sonne…
Tritt ein, nimm Platz, ich will dich zuhören.
Von diesem Kind sagen sie :
« Vielleicht ein rituelles Opfer. »
Weinend lächelst du.
Dass deine Augen blassgrün sind,
werden sie nicht erfahren.
Als man den Kleinen aus der Glut zog,
in die er, von der Flamme fasziniert, gefallen war,
bist du ihm in die andere Welt gefolgt,
nicht wahr ?
(Wo treffen sich unsere Sprachen ?
Welche Wörter sind uns gemeinsam ?)
Die Überfahrt bei Sturm und Regen.
Wie den Fischern für ihren silbernen Fang,
gab man dir ein Netz
für deine Haare.
Ich strecke die Hand nach ihnen aus,
nach ihrem von den Schattentagen aschgrauen Blond ;
ich bin so jung wie du, und du lächelst mir zu.
Meine Finger erreichen dich nicht,
du bist es, die mich berührt.
War es dein Sohn,
dein kleiner Bruder,
den du nicht
überleben konntest ?
Woran dachtest du,
als die Äxte niederstürzten :
an die schwitzende Eiche, an ihre Wurzeln ?
Dass sie nun ihrerseits dich nicht überleben würde ?
Und wann kann die Kette
all der geplanten Tode abgebrochen werden ?
Auch viertausend Jahre später noch nicht,
da du mir
die Hand reichst.
Pass mal auf !
Du wirst mir den Deckel leihen,
und unsere Zwillingsboote
fahren Seite an Seite hinaus.
Unsere armseligen Netze
fallen auf den Grund der Zeit.
Was gibt es zu fangen
im letzten Sturm ?
Deine Augen sind grün, sehr blass.
Sie haben sie nicht gesehen.

Aus dem Französischen von Rüdiger Fischer.

COMMENTS OF THE POEM
READ THIS POEM IN OTHER LANGUAGES
Close
Error Success