Wunder Poem by Wolfgang Steinmann

Wunder

Das Zwielicht hat Raum, was nah ist scheint fern,
Und was fern scheint so dicht.
Jetzt hängt im grünen Westen ein Stern.
Und jetzt hörst Du vielleicht über uralter Gischt
Ein Grollen von Glocken von waldiger Höh;
Wie rollende Brocken tief unter der See.

Schweigend im Himmel webt die Fledermaus hin,
Als dächte sie gar.
Schweigend wie Tau finden wir neuen Sinn
Machen uns neu als Avatar.
In Dämm'rung so licht
Stieg Maria hinauf, ihren Sohn zu finden,
Und hob ihn vom Kreuz und küsst' sein Gesicht,
Seine purpurnen Wunden, alle zu binden.

Gestalten mit Flügeln
Folgten ihr leise im Dämmerlicht dort.
Sah sie doch keinen, so fühlte sie doch
Leise Lüfte umweben den Ort.
Sah sie doch keinen, so mocht' sie doch wissen
Warum ihr Sohn so leicht wie ein Kissen.
Fühlte vielleicht, dass dort in der Gruft
Andere Hände besorgten die Luft.

Nun, sei es, dass süsse Musik uns rührt
Und plötzlich unser Wähnen verführt,
An Engel glauben wir nicht
Und schämen uns unserer Blindheit nicht.
Lasst silberne Hörner im Zwielicht tönen,
Lasst Herzen den gelben Stern dort im Grünen
Finden, und lernen, vielleicht, wenn der Tau sich hebt,
Dass Klarheit manchmal im Dämmerlicht lebt.

(nach Conrad Aiken: Miracles)

This is a translation of the poem Miracles by Conrad Potter Aiken
Wednesday, July 6, 2016
Topic(s) of this poem: devotion,love,suffering
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