[Ich bin vor Worten nicht gefeit] Poem by MARCELIJUS MARTINAITIS

[Ich bin vor Worten nicht gefeit]

Ich bin vor Worten nicht gefeit,
sie dringen durch die Fensterritzen ein,
aus dem TV, von Nachbarn, aus Gesetzen,
aus Gedichten.

Sie kamen in mir an mit Nachrichten,
mit Telefonanrufen, Briefen.
Wieder andere schluckte ich mit Medizin, mit Salz
oder man prügelte sie mir ein.

Wieder andere blieben in mir zurück
vom Streicheln und Liebkosen,
sie prägten sich mit Lippen ein, mit Händen,
wurden mir eingeredet,
manche hängten sich an mich wie Kletten.

Weitere sog ich mit Zigaretten ein
und mit Parfüm, mit Staub von Büchern,
schluckte ich mit Wein.

An den Dingen wollte ich die Worte betasten,
sie mit den Fingern spüren und den Handflächen,
die ich an meine Schläfen drückte,
ich wollte sehen, wie sie aus den Augen strömten,
noch bevor die Stimme sie aussprach.

Ich bin voll von Wörtern.
Ständig tue ich etwas mit ihnen:
ich verbinde sie durch Zeiten, Geschlechter,
Zahlen, Verschweigen:
das Gedächtnis treibt sie schneller voran
als das Herz das Blut.

Schließlich
bin ich eher Wörtern:
mit ihnen sieht und hört man mich weiter und besser
als man mich in Wirklichkeit sieht.

Beim Dichten entzünden sie sich häufig
und erleuchten mich hell -
wer sich mir dann nähert,
wirft auf mich ein Wort nach dem anderen -
wie Scheite
ins lodernde Feuer.

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