SEHNSUCHT Poem by ISMAÏL KADARÉ

SEHNSUCHT

Regentropfen pochten auf das Glas
Als jähe Sehnsucht mich nach dir ergriff.
Wir beide leben in der gleichen Stadt,
Doch unsre Wege kreuzen sich nicht oft.

Und wie der Herbst und dieser Morgen kam
Erschien in hohem Maß mir sonderbar.
Ein trüb verhangner Himmel ohne Störche,
Kein Regenbogen zwischen starken Schauern.

Warum wohl kommt das alte Wort des Heraklit
Mir ausgerechnet heute in den Sinn:
„Den Wachenden ist eine Welt gemeinsam,
Doch jeder Schlafende hat eine Welt für sich."

In welchen Traum sind wir so tief versunken,
Daß wir daraus nicht mehr erwachen können?
Die Regentropfen pochten auf das Glas
Als jähe Sehnsucht mich nach dir ergriff.

COMMENTS OF THE POEM
READ THIS POEM IN OTHER LANGUAGES
Close
Error Success