Für meinen Sohn Poem by VOLHA IPATAVA

Für meinen Sohn

Jeder Telefonanruf von dir
Ist ein Mediator auf meinen Nerven-Saiten.
Ich vibriere: „Wie geht es dir? Was
Gibt‘s in deinem fernen Land?"
Die Millionen Tonnen Ozeanwasser
Und Unmengen Kubikmeter Luft,
Die heute zwischen uns liegen,
Erfüllen mich mit Verzweiflung.
Ich bin ein Mohnkorn auf den Abraumhalden der Menschheit,
Diesen Mohn zermahlen täglich die Umstände.
Und er fällt tonnenweise in die Ewigkeit
Und wird als ein anderer ins Leben zurückgestoßen -
Um eine Generation verjüngt.
Und darum bin ich wie über ein Wunder erstaunt,
Dass in dieser irrsinnigen Welt
Du mich trotzdem liebst.
Und diejenige nicht vergessen willst,
Aus deren jungem Körper du gekommen bist.
Du sollst wissen - mich jagt schon der Wind
Vom menschlichen Stoppelfeld,
Denn auf ihm habe ich mich genug abgeschunden
Nach allen Gesetzen des Seins.
Und jetzt schreibe ich heimlich
Auf dem Programmzettel „Zur Eröffnung der Deutschen Woche"
Diesen Brief an dich am ersten
Tag des alten* Neuen Jahres
Und schleudere ihn in den Wind als Beweis,
Dass ich noch gebraucht werde auf der Erde ...


* Am 14. Januar nach dem Julianischen Kalender, der in der
orthodoxen Kirche bei religiösen Feiertagen auch
heute noch Anwendung findet. (d. Ü.)

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