Ich bin verdächtig Poem by MARCELIJUS MARTINAITIS

Ich bin verdächtig

Die Frau, die neben mir saß,
rückt ab, eine andere setzt sich so, daß ich sie nicht anschau.
In der Dämmerung flüchtet der Passant, befragt nach dem Weg.
Eine Katze huscht eilig über die Straße, auf der Wiese
scheut das Pferd, Biene und Schmetterling fliegen davon,
flink flieht ein Mäuschen.
Das Eichhörnchen schaut mich von oben so an,
als sei ich hier überflüssig.

Ich habe Papiere, vorbestraft bin ich nicht,
hab' keinen Revolver, fast keine Gedanken.

Nur Parasiten, allerlei Käfer,
Fliegen und Würmer kriechen mir übers Gesicht,
in den Mund, in die Nase,
trinken mein Blut.

Wo ich erscheine, versteckt sich jemand, läuft weg,
schaut mißtrauisch drein, horcht auf, verstellt sich, verstummt:
ich könnte sie fangen, zertrampeln, umbringen.

Ich werde verdächtigt, ein Schlächter zu sein,
ein Vergewaltiger, ein Herbariensammler,
ein Trinker, Neurotiker, Irrer, ein Taschendieb,
ein Perverser, Giftmörder, Ex-Agent,
ein flüchtiger Häftling.

Es gibt nichts, was ich sagen könnte,
damit sie nicht fliehen, mir erlauben, sie zu zähmen, zu streicheln,
zu ihnen zu sprechen und sie zu füttern.

Ihnen, den Tierchen, den Bienen, den Frauen
bedeutet es nichts, dass ich Papiere habe,
die Heilige Schrift lese, meditiere über Gedichten,
meine Schulden pünktlich begleiche, Steuern zahle,
meinen Nächsten nicht weniger liebe als mich.

Ich trage eine unbekannte Schuld vor allem,
was lebt, was geboren wird und stirbt, was singt, trauert und leidet:
wohin ich mich wende, hinterlasse ich Leere,
wie vom Teufel abgefressenes Weideland.

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